Testbericht von 5/1975
KLASSEN-RENNER - Test Yamaha RD 250
Nach der ersten 250er Yamaha, die 1965 in Europa
erschien uund ihre Verwandschaft mit den Adler seligen Gedenkens gar nicht kaschieren
konnte, kamen über die DS 5, DS 6, und die DS 7 die RD-Modelle. Mit 250
und 350 ccm Hubraum gruben sie der Konkurrenz ganz kräftig das Wasser ab.
Und als anno 1973 die Versicherungsprämien kräftig geliftet wurden,
entwickelte sich die RD 250 mit 30 DIN-PS als echter Verkaufsrenner. Eigentlich
kein Wunder, dass viele Käufer nach Erwerb des Führerscheins Klasse
1 ein "Zwofufziger" wählten, denn bei Betrachtung aller Unterhaltskosten
ist sie billiger zu bewegen als ein Kleinkraftrad! Und wer eine Maschine dieser
Klasse bzw. ihrer Leistung richtig zu nutzen weiss, der wird im Normalverkehr
nicht viel hinter den grossen Pötten zurückbleiben - er wird sich
aber jedenfalls bei der Bilanz am Jahresende über die noch verbliebenen
Münzen im Beutel freuen!
Denn seien wir einmal ehrlich: Obwohl sich jeder unserer Testfahrer vielleicht
noch fünf oder acht Pferdchen mehr gewünscht hätte - bei gleichem
Maschinengewicht und gleicher Handlichkeit, versteht sich - mit einer manchmal
spöttisch als "Kleinen" bezeichneten Zweihundertfünfziger
kommt man fast genau so problemlos genauso weit wie mit einem dicken Dampfhammer
mit möglichst vielen Zylindern. Und unter anderen Umständen noch weniger
angestrengt, denn eine Maschine mit um die 150 Kilogramm Gewicht lässt
es sich doch leichter fahren als eine doppelt so schwere - vorausgesetzt, es
sind genügend vorantreibende Pferdchen im Motor.
Der Motor: 32 PS - und was noch?
Über die DS 7 mit 27 und die RD
250 mit 30 PS ist man nun bei der neuesten RD bei 32 PS angelangt, die Nenndrehzahl
stieg dabei von 7500 U/min der "alten" RD auf 8000 U/min bei der neuen.
Im Fahrbetrieb fiel an unserer Testmaschine auf, dass der Drehzahlmesser
die Nenndrehzahl in keinem Gang anzeigte, denn ab 7000 U/min machte der Motor
schlagartig "zu". Tatsächlich ging unser Drehzähler stark
nach, der Leistungeinbruch findet erst bei 8500 U/min statt. Das liegt an der
für Deutschland vorgeschriebenen Bedüsung und dem dabei verwendeten
Luftfilter. Eine gewisse Schonung des Triebwerks durch die gezwungene Vermeidung
von Überdrehzahlen (mehr Drehzahl bringt nicht mehr Leistung) ist für
den Kunden ein angenehmer Nebeneffekt, der sich bestimmt im Laufe des Motorenlebens
bemerkbar macht.
Die beiden neuen Pferdestärken gewann man nicht durch neue Steuerzeiten,
andere Vergaserquerschnitte oder die sonst üblichen leistungssteigernden
Modifikationen, sondern durch leichte Korrekturen bzw. schärfere Überwachung
der Fertigungstoleranzen bezüglich der Schlitzabmessungen. Auch in puncto
Kurbelwellen_Auswuchtung hat sich einiges getan: Die bei früheren Zweitakt-Yamaha
oft kritisierten, die Arme absterben lassenden, feinen Vibrationen sind bis
auf ein erträgliches Mass verschwunden! Es scheint also, dass man auch
den kleinen Männern mit den Kupferhämmern in der Richtabteilung intensiver
auf den Hammerstiel schaut ...
Grosszügige Gummiformstücke sollen das Schwirren der Rippen von Kopf und Zylinder vermeiden helfen. Zu sehen auch die Gummitüllen auf den Vergasern, deren Schiebergehäuse auf 48 Millimeter verlängert wurden, um den Gasschieber eine bessere Führung zu geben. |
Die Instrumententafel mit der für links und rechts gesonderten Blinkkontrolle ist übersichtlich. Tachometer zeigt nun genauer als früher an, der Drehzähler ging an der Testmaschine im oberen Bereich erheblich nach. |
Am unteren Bügel sind schon die ersten zarten Schleifansätze zu sehen. Am Querjoch zwischen den beiden Rahmenunterzügen sieht man die Wickelfeder, die für automatische Rückstellung der Seitenstütze sorgt. |
Sichtbarer Erfolg dieser Qualitätserhöhungskur
ist die Lebensdauer der Scheinwerferlampen, von denen während der bis jetzt
zurückgelegten knapp 5000 Kilometer noch keine in die ewigen Gründe
hinüberging. Weitere Änderungen wurden am Auspuffsystem vorgenommen.
Die Auspufftöpfe wurden um 40 Millimeter länger, und die Maschine
dadurch um einiges - rein gefühlmässig - leiser und damit umweltfreundlicher.
Wenn wir gerade bei der Umwelt und deren Freundlichkeit sind: Bei der
ersten Inspektion liessen wir die Ölpumpe so justieren, dass der Ölverbrauch
nur knapp ein Liter auf 600 Kilometer beträgt, bei einem durchschnittlichen
Testverbrauch von 6,2 Litern auf 100 Kilometer entspricht das einem Mischungsverhältnis
von 1:37. Bei diesem knappen Wert ist die Verwendung von richtigem Öl ein
nicht zu unterschätzender Faktor. Mit dem neuen "Castrol Super TT"
gab es bis dato selbst nach vielen gebummelten Stadtkilometern keine übertrieben
lange Ölfahne oder zugesetzte Kerzen. Übrigens sind in den neuen RD-Motor
bzw. dessen Zylinderköpfen zwecks besserer Wärmeableitung nun Langgewindekerzen
eingebaut. Die NGK B-8 ES reichten bei der bis jetzt aufgetretenden Frühlingswitterung
im Wärmewert völlig auswie es allerdings bei 35 Grad im Schatten um
das Kerzenbild bestellt ist, wissen wir natürlich noch nicht - vielleicht
muss man dann bei tropischen Temperaturen auf 9er Kerzen zurückgreifen.
Nun kurz zu den Fahrleistungen, die bei der stärksten Maschine ihrer
Klasse sicher sehr interessant sind. In der Beschleunigung ist sie nur dem Raubein
Maico MD 250 unterlegen, allerdings übertrifft sie diese bis jetzt mit
159 km/h schnellste 250er Test-Strassenmaschine um glatte sieben Stundenkilometer
- die RD 250 rannte (beim fünften Anlauf) bei der schnellsten Messung mit
166,2 km/h durch die Lichtschranke. Bei den offizellen Messungen für das
Typengutachten dieser Maschine wurde "nur" 133 km/h gemessen - allerdings
mit einer Sekundärübersetzung von 16 Zähnen am Getriebeausgang
(wie auf der Testmaschine). Mit dem 15zähnigen Ritzel, das in der anerkennungswerter
Weise von den Mitsui-Technikern gleich mit homologiert wurde, lief sie allerdings
147 km/h.
Woher kommt nun dieser Gesachwindigkeitszuwachs, da man ja allgemein annimmt,
dass mit einem grösseren Ritzel am Getriebeausgang die Maschine schneller
sein müsste? Die Erklärung ist relativ einfach: Wie jeder Hochleistungszweitakter
lebt auch der Yamaha-Motor von Drehzahlen. Und der nun endlich serienmässig
homologierte sechste Gang ist als Schongang mit einer gewissen Overdrive-Funktion
ausgelegt - solo aufrecht oder gar mit zwei Personen und Gegenwind schafft der
Motor diesen Gang eben nicht mehr. Wer also ein hohes Gewicht auf die Waage
bringt , gerne mit Sozia fährt oder viel im Gebirge herumkurven möchte
- der wird mit dem 15er Ritzel am Getriebeausgang besser bedient sein als mit
dem 16zähnigen, das sich für fliegengewichtige Fahrer - vieleicht
sogar mit einem kleinen Lenker an der Maschine - gut eignet.
Die Gangstufen 1 bis 3 decken sich mit denen der früheren RD, die
Gänge 4 bis 6 wurden so geändert, dass der 6. Gang nun genau so übersetzt
ist wie früher der 5. Das ergibt natürlich eine gute Abstimmung der
oberen Gangstufen, so dass für jeden Geschwindigkeitsbereich die richtige
Drehzahl zur Verfügung steht.
Fahrwerk: Etwas abgespeckt
Yamaha beschränkte die Überarbeitung
nicht nur auf den Motor, sondern bezog auch das komplette Fahrwerk mit ein.
Die Frage, wo denn eigentlich die paar Kilogramm heruntergeholt wurden, die
die Neue nun weniger wiegt als die Alte, konnte uns auch von höchster Stelle
nicht beantwortet werden. Bleiben wir also bei den beim Fahren mit dem Körper
feststellbaren Verbesserungen. Erstaunlich viel wurde an den Federbeinen getan
- obwohl sie die gleiche Ersatzteilnummer aufweisen wie die aus der Vorserie,
sind Federungs- und Dämpfungseigenschaften gegenüber früher wie
verwandelt. Das Fahrwerk hat nun Umrüstdämpfer nicht mehr so dringend
nötig, die leichten Fahrwerksunruhen, wie unkorrekter Geradeauslauf bei
nasser Strasse oder die Empfindlichkeit auf Längsrillen ab ca. 100 km/h
rühren mit Sicherheit von den serienmässigen "Yokohama"-Reifen
her. Bei den letzten getesteten Yamahas haben wir immer wieder erlebt, dass
das Fahrwerk nach Umbereifung bedeutend ruhiger war. Die Sozia allerdings klagte
immer noch über harte Schläge in die Rückengegend und nicht ganz
ruhig geführte Schwinge in schnellen Kurven.
Die Teleskopgabel arbeitet zufriedenstellend, die Japaner haben gerade
auf diesen Gebieten in letzter Zeit sehr viel dazu gelernt - und zum Glück
auch zur Anwendung gebracht.
Die Ausrüstung: Wann verschwindet der Kleinkram?
Wenn der Fahrer nach wenigen Gewöhnungskilometern auf der RD 250 keine Scheu mehr vor noch so welligen Strassenstücken hat und mit kräftigen Schmackes über dermassen schlechte Strassenstücke schiesst, dass die Federung durchschlägt und er seinen Allerwertesten aus dem Sattel hebt - dann hebt es meist auch gleich die Sitzbank mit an. Denn der häufig kritisierte "Bierflaschenverschluss" der Sitzbank ist nach kurzem Gebrauch ausgeleiert und hält die Bank nicht mehr an dem ihr zugedachten Platz. Oder die Öleinfüllöffnung: Wann wird sie wenigstens ein paar Millimeter vergrössert, damit das Einfüllen des Öls auch ohne Trichter ohne Sabbelei vor sich gehen kann? Auch die Verlegung der Fussrasten unter den Auspuffrohren hindurch ist ein bisschen antiquierter Motorradbau. Obwohl viel Schräglage nötig ist, kann es eben doch mal vorkommen - etwa bei vollbeladener Maschine mit Beifahrerin und Gepäck. So - das dürften die kritischen Punkte gewesen sein, denn am "Rest" gibt es kaum etwas auszusetzen. Der Tachometer wurde in seiner Genauigkeit überarbeitet, die Voreilung beträgt nun nicht mehr bis zu zehn Prozent wie früher, sondern ist es so unerheblich, dass man sie praktisch vergessen kann. Nur der Drehzahlmesser unserer Testmaschine ging im oberen Bereich erheblich nach. Die allzu dicken Handgriffe gab man zugunsten griffgünstigerer auf, etwas zu breit ist allerdings der Lenker - bei "Full speed", und das sind immerhin knapp 150 km/h aufrecht sitzend, zeiht der Fahrtwind ganz schön an den Armen. Ach ja - und wann haben die japanischen Motorräder endlich ein gutes Scheinwerferlicht? H4-Einsätze sind dringend zu empfehlen. Sicher finden sich irgendwo Händler, die einen solchen Einsatz als Kaufbonus mitgeben - das wäre verkaufsfördender als die dollste Werbung im ortsgebundenen Wochenblättchen!
Beurteilung
Mit diesen Änderungen bestätigt Yamaha RD 250, dass sie zu Recht der Renner ihrer Klasse ist - im Verkauf wie auf der Strecke. Man kann eigentlich nur noch den Verantwortlichen empfehlen, sich verstärkt der Verbesserung der wenigen kritikwürdigen Punkte anzunehmen - denn die Basis stimmt rundherum.
Technische Daten und Messwerte Yamaha RD 250 |
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Motor Vergaser Elektrische Anlage Kraftübertragung |
Klauengeschaltetes Sechsganggetriebe mit Kickstarter. Gerade verzahnte Räder. Übersetzung: 2,571/1,77/1,318/1,083/0,961/0,889,, Gesamtübersetzungen mit 15/36 Z: 19,98/13,82/10,24/8,42/7,47/6,91. Gesamtübersetzungen mit 16/36 Z: 18,74/12,96/9,61/7,9/7,01/6,48. Geschwindigkeit im letzten Gang pro 1000 U/min Kw-Umdr.: 18,05 km/h (16,93 km/h mit 15/36 Z) Fahrwerk Räder/Bremsen Abmessung/Gewicht
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Ausrüstung/Zubehör Wartung Messwerte Höchstgeschwindigkeit Preis Hersteller Importeure |
Stand 23.09.2002