Yamaha, sowohl auf dem Zwei- als auch auf
dem Viertaktsektor engagiert, bietet mit der RD 400 und der XS 500 auf beiden
Konstruktionsebenen ein neues Modell an. Schon kurz nach ihrer Premiere in Mailand
hatten wir Gelegenheit, beide Maschinen in der Technischen Abteilung von Mitsui,
dem Yamaha-Importeur, zu begutachten und die ersten Fahreindrücke rund
um Löhne auf Westfalens Strassen zu sammeln.
Die beiden oberen Fotos zeigen jeweils die Gesamtansicht der von
uns gefahrenen Maschinen. Links die XS 500 und rechts die RD 400. Die mit stilisierten
Büroklammer angehefteten Ansichten zeigen beide Modelle in der endgültigen
"Kriegsbemalung", die ohne Frage das Styling entscheiden beeinflusst
- die Tarnfarbe der von uns gefahrenen Homologationsmaschinen war ja bewusst
recht trist. Augenfällig sind die gegossenen Leichtmetallräder ("Mag
Wheels"), bei der XS 500 ist das Vorderrad in 19´´ gehalten,
bei der RD 400 in 18´´. Das Mustergutachten wurde soweit ausgeweitet,
dass nun auch die Schwestermodelle der RD, die 250er und die 350er, mit diesen
Rädern und auch mit der Bremsanlage ausgestattet werden können! Der
Kraftstoffbehälter sieht optisch grösser aus als bisher von Yamaha
bekannt, nimmt aber "nur" 15 (XS 500) bzw. 16,5 Liter (RD 400) auf
- jedoch der Knieschluss ist entscheidend besser als bei den früheren Modellen,
abgesehen von der praxisgerechteren Form der Tankoberseite, z.B. für die
Aufnahme eines Tankrucksackes.
Die Zündkerzen sitzen zentral im zierlichen Zylinderkopf und sind nur nach Abnahme des Kraftstoffbehälters zugänglich. Der Stopfen hinter dem Zylinderfuss ist zum Ölnachfüllen (Aber Vorsicht, nicht den Finger bei laufenden Motor zum Ölstandpeilen hineinstecken, sonst schert ihn die Ausgleichs-Exenterwelle ab!), der richtige Peilstab ist im Deckel vor dem Zylinderfuss eingeschraubt.
Bei der RD 400 arbeitet unter dem neuen Motorgehäusedeckel eine überarbeitete Ölpumpe, die nun für gezieltere Steuerung der Ölmengen sorgt - bei unseren Versuchsfahrten war kaum die Spur einer Ölfahne aus den Auspuffen zu bemerken. Auch neu sind die Vergaser, die das Leerlaufgemisch in einer getrennten Kammer aufbereiten. An den Schiebergehäusen sind durch Schraubstopfen verschlossene Bohrungen zur exakten Justierung des Schiebergleichlaufs.
Übrigens wurde der Motor gegenüber den Vorgänger-RDs um 40 mm nach vorn gesetzt und gleichzeitig die Schwinge um 30 mm verlängert. Der Vergaserdurchlass beträgt wie bei der RD250/350 auch 28 mm. Durch all diese Änderungen hat das grösste RD-Modell eine Art von Fahrkultur erreicht, die bei den früheren RDs etwas vermisst wurde.
Yamaha XS 500
Das Angebot an Halbliter-Viertakt-Twins belebt sich in Europa zusehens. Nach Hondas 500 T und dem Revival von Suzukis GT 500 (der ehemaligen Titan) steht jetzt auch der Serienstart der Yamaha XS 500 in der BRD vor der Tür. Auch die italienischen Firmen Ducati, Laverda und Morini entwickeln in dieser klassischen Hubraumgrösse überraschende Aktivitäten und haben zum Teil schon mit der Serienfertigung begonnen.
Für das Zögern der technischen Niederlassung von Mitsui, ihrer Verkaufsabteilung für das Debüt der 500er grünes Licht zu geben, waren offensichtlich technische und verkaufspolitische Gründe ausschlaggebend. Denn die Änderungen gegenüber dem Vorgänger-Modell, das vornehmlich in Amerika, Italien und Österreich ausgeliefert wurde, sind doch weitreichender Natur.
Motor
Das Triebwerk bietet viel fortschrittliche Tehnik. Die beiden im
Zylinderkopf gleitgelagerten Nockenwellen betätigen über je zwei Doppelschlepphebel
acht Ventile, die für optimalen Gasdurchsatz schon bei niedrigen Drehzahlen
sorgen. Die ebenfalls gleitgelagerte Kurbelwelle arbeitet um des besseren Masseausgleichs
willen mit zwei um 180° versetzten Hubzapfen. Doch damit nicht genug: Um
noch mehr Massenkräfte, die in einem Twin dieses Hubraums natürlich
reichlich anfallen, zu absorbieren, läuft eine Excenter-Ausgleichswelle
im Motorgehäuse hinter dem Zylinderfuss entgegengesetzt zur Kurbelwellendrehrichtung.
DIeser konstruktive Aufwand reuziert die Schütteleien, die wir von den älteren Paralleltwins her kennen, auf ein minimales Mass. Auch der unrunde Lauf eines Gegenläufers bis 2000 U/min, der dort wegen der unsymetrischen Zündzeitpunkte auftritt, ist nahezu elleminiert. Ruckfrei nimmt der Motor im Fahrbetrieb ab 1500 U/min Gas an. Ab 3000 U/min ist exakter Durchzug bei schnellem Aufziehen des Gasdrehgriffs vorhanden. Fürs schnelle Beschleunigen in den beiden oberen Gängen allerdings beginnt die richtige Kraft erst ab 6000 U/min, also zwei Dritteln der erlaubten Maximaldrehzahl. Wenn das Triebwerk unter voller Last zu schaffen hat, ertönt ein nicht unangenehmer metallisch singender Sound - etwa wie der eines ausserordentlich gut gehenden 450 K-Motors von Honda. Der XS-Motor hat Kraft und gibt diese im richtigen Drehzahlbereich nahezu spielend ab. Die ABE wird etwa 48 DIN-PS bei 8500 U/min ausweisen und ein maximales Drehmoment von 4,5 mKg bei 6500 U/min.
Nach Aussage unserer englischen Fachkollegen und einiger österreichischen Kunden soll es bei dem Vorgängermodell mit der Vergasereinstellung einige Schwierigkeiten gegeben haben. Mit neuen Unterdruckvergsaern von Mikuni (Ø 38 mm!) scheint das beim neuen Modell nun behoben zu sein. Denn der Motor verschluckte sich bei unseren Probefahrten nicht und zog in sämtlichen Drehzahlbereichen sauber mit guter Füllung voran. Eine Fahrweise, die über die volle Leistung genügend Aufschluss geben können, war bei feuchter Strassenoberflächen beim besten Willen nicht zu vertreten.
Fahrwerk und Bremsen ...
... sind trotz unserer
witterungsbedingten, sanften Fahrweise einige Überlegungen wert: Zunächst
einmal fiel auf, wie hervorragend die XS 500 von Yamaha geradeaus läuft.
Das optisch hervorstechende Detail an diesem 500 ccm-Viertakter sind die gegossenen
Leichtmetallräder mit je einer hydraulischen Scheibenbremsanlage vorn und
hinten. Überraschend war wie gut sich diese beiden Scheibenbremsen auch
bei noch so schmierigem Strassenbelag dosieren liessen, ohne dass der Fahrer
Angst haben musste, mit einem blockierenden Rad auf die Nase zu fallen. Bei
einer provozierten Vollbremsung auf einem geraden, ausnahmsweisen trockenen
Strassenabschnitt neigte die mit einem "Elefantenfuss" traktierte
Hinterradbremse nur in der letzten Phase vor dem Stillstand zum Blockieren.
So muss es sein. Als erfahrensbedingte erfreuliche Konsequenz ist der Entschluss
der Yamaha-Techniker zu werten, die XS 500 bei uns mit einer Doppelscheibenbremsanlage
vorn homologieren zu lassen, eine Nachrüstung auf zwei Scheiben ist aber
problemlos möglich.
Das Fahrwerk macht federungs- und dämpfungstechnisch einen sehr gut abgestimmten EIndruck. Der Kompromiss zwischen nötigen Federweg und Härte der Federn dürfte einen weiteren Fortschritt in Richtung auf ein sicheres Fahrwerk bei Yamaha deuten.
Auch beim Styling haben sich Yamahas Chefdesigner erfolgreich um einen ansprechenden Gesamteindruck bemüht - bis auf die Heckpartie, die sehr gewöhnungsbedürftig ausgefallen ist. In Mattschwarz mit mit goldenen Schriftzug und zwischen formschönem Tank und Kunststoffheckteil gekonnt integrierte Sitzbank konnte sich die XS 500 auf dem Mailänder Salon neben den italienischen Neuheiten dieser Klasse durchaus behaupten.
Nach dem nicht missglückten
Anlauf der TX 750 auf dem deutschen Markt scheint Yamaha nach der XS 650 mit
dieser neuen Maschine der Viertakt-Modell palette endlich bleibendes Profil
zu gewinnen.
Yamaha RD 400
Alle Welt bohrt auf - von 350 auf 400 ccm. Kawasaki fing mit der 350er Dreizylinder an, Honda folgte auf dem Fusse mit der 350 Four und Yamaha zieht logischerweise nach. Was spricht eigentlich für die 400er Klasse? Nichts? Mode-Spielereien? Nein - schon die "Pioniere" des neuzeitlichen Motorradbaus, zum Beispiel Horex, hatten eine 400er Twin im Programm!
Motor
Also: Wenn ein Motor am Reissbrett für 350 ccm konzipiert wurde,
verträgt er auch noch mal 50ccm mehr. Yamaha ging in diesem Falle nicht
den üblichen Weg der Hubraumvergrösserung der Zylinderbohrung der
vorhandenen Baukastenmodelle mit 250/350 ccm, die beide mit der gleichen Kurbelwelle
ausgestattet sind und sich nur durch die Zylinderbohrung (54 mm bei RD 250 bzw.
64 mm bei RD 350) unterscheiden. Die neue RD 400 besitzt nun nicht die grösseren
Kolben, die bei Beibehaltung des Hubes von 54 mm sage und schreibe 86,5 mm Durchmesser
bekommen müssen - man baut in Japan gleich etwas fast Neues. In Anlehnung
an den bestehenden Motor wurde ein neues Gehäuse mit längeren Zylinder-Aufnahmehälsen
gezeichnet, das die ebenfalls neue Kurbelwelle mit nunmehr 62 mm Hub aufnimmt.
Die Kolben der RD 350 mit 64 mm Durchmesser wurden beibehalten. Wer die RD 350
im Fahrbetrieb kennt, der weiss, wie giftig die Maschine bei richtigen Einsatz
sein und welchen Fahrgenuss sie bieten kann. Der denkt aber zunächst auch,
die RD 400 schwimme auf der derselben Welle.
Man packte zwar mit dem 50 ccm Mehr-Hubraum auch 3 Mehr-PS hinein, die Hubraumleistung liegt nun bei 105 PS/Liter (RD 350: 111 PS/L), doch der Unterschied ist deutlicher.
Erste Probe auf Elastizität: Bei 2000 U/min im ersten Gang das Gas aufziehen - siehe da, der Motor dreht lochfrei hoch und schiebt die Maschine samt aufrecht sitzendem Fahrer im Leder mit Überjacke auf 7500 U/min - das sind laut Tachometer 155 km/h - die neugestylten Instrumente gehen also auch mehr als ausreichend genau. Beim Versuch, die volle Motorleistung durch fleissiges Schalten auszunutzen, kommen die Stärken des Triebwerks noch deutlicher zur Geltung: In jedem Gang geht es mit einer Vehemenz vorwärts, als gelte es, ein Sprint-Meeting zu gewinnen - kein Wunder bei diesem günstigen Leistungsgewicht.
Allerdings müssen kleine Abstriche in der Laufkultur hingenommen werden. Das fällt aber nur auf, wenn man - wie wir - von einer einwandfrei und damit weich laufenden RD 250 auf die 400er umsteigt. Der grund ist einfach: Die grösseren hin- und hergehenden Massen bringen mehr Auswuchtprobleme, die Vibrationen sind jedoch kaum spürbar, geschweige denn lästig. Das Getriebe lässt sich, wie bei Yamahas gewohnt, sehr angenehm schalten, ausserdem ist die Abstufung alles sechs Gänge bekannt gut.
Das Fahrwerk fällt schon äusserlich aus dem gewohnten Rahmen: Gegossene Räder (Big Wheels) vorn und hinten, dazu je eine Scheibenbremsanlage pro Rad. Ob die Gussräder fahrtechnische Vorteile bieten, kann nicht mit absoluter Bestimmtheit behauptet werden. Nur - die gewünschte Erleichterung bringen sie in dieser Ausführung nicht, sie sind eher schwerer als ein herkömmliches Drahtspeichenrad mit Stahlfelge.
Die Federung hinterliess bei den ersten Fahrten einen durchaus positiven Eindruck. Sie sprach feinfühlig an, eine sogenannte Versteifung des Fahrwerks war nicht festzustellen. Besonders die Vorderradgabel verarbeitet auch kleinere Unebenheiten - etwa die Trennfugen auf der Autobahn - sehr gut, grössere "Löcher" in der Strasse wurden gut weggesteckt.
Die enorme Handlichkeit der Schwestermodelle
RD 250/350 in engen Kurvenpassagen oder z.B. im Stadtverkehr blieb auch der
RD 400 erhalten, nur in schnellen, langgezogen Kurven war bei unserem Fahrexemplar
eine leichte Pendelneigung festzustellen.
Ausstattung und Zubehör
Augenfälligste Verfeinerung sind die Instrumente, die nun getrennt
aufgehängt sind, damit bei einer eventuellen "Feindberührung"
nicht mehr die gesamte Konsole zu Bruch geht und ausgewechselt werden muss.
Auch kommt die Zeichnung der Zifferblätter den guten alten Smith-Instrumenten
immer näher - es war nicht alles schlecht, was früher ums und am Motorrad
war. Beim Arbeiten mit der Handhebelei ist ein entscheidender Schritt in Richtung
Verkehrssicherheit zu vermelden. Die Blilnker werden in herkömmlicher Art
mit einem Schwenkschalter eingeschaltet, der jedoch beim Losslassen in die Nulllage
zurückkehrt - die Lampe blinkt natürlich weiter. Ausgeschaltet wird
das Blinklicht nur durch einen kurzen Druck auf den Schalter, ein Überschalten
in eine andere Richtung ist also nicht mehr möglich. Diese Anordnung ist
die unserer Meinung nach zukunftträchtigste Sicherheitsneuerung, narrensicher
und auch mit dicken Jandschuhen jederzeit sauber bedienbar.
Prognose
Die beiden neuen Yamahas runden die bestehende Modellpalette erfreulich
ab. Mit der RD 400 wurde ein Motorrad geschaffen, dessen Konzeption zielsicher
die Wünsche der Freunde kräftiger Zweitakter trifft. Ob die serienmässige
Ausführung ebenso treffend gelingt, muss kaum bezweifelt werden, zu gross
ist die Erfahrung der Leute im Stammwerk in Verarbeitung und Solidität.
Die XS 500 zeigt die Anstrengung von Yamaha, auch in der mittleren Hubraumklasse mit dem Viertakter Fuss zu fassen - die Gunst des Publikums muss zeigen, ob es gelingen wird.
Stand 17.02.2003